Warum verfassungswidrige Parteien keine Aufmerksamkeit verdienen!

Verantwortung in der neuen Mediengesellschaft

Was ist eine Nachricht wert? Und in welchem Umfang und in welcher Aufmachung sollten Journalisten und Blogger über welches Ereignis, über welches Thema berichten? Warum wird das eine Thema aufgegriffen, das andere nicht? Sind Neuigkeits- und Informationswert für Leser, Hörer und Zuschauer wirklich das entscheidende Kriterium? Geht es um Wissen und Orientierung, um den praktischen Nutzen, um Unterhaltung und die Befriedigung menschlicher Neugier?

Zuletzt – insbesondere vor der Bundestagswahl – schien eine Partei in den deutschen Medien besonders präsent zu sein, zumindest gemessen an ihrer Bedeutung. Nach der Bundeswahl wurde diskutiert, dass diese Medienpräsenz den Erfolg erst möglich gemacht oder zumindest befördert hat. Zu diesem Schluss kamen jedenfalls die vier Umfrage-Institute Allensbach, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap (siehe Berichte im Merkur oder im Tagesspiegel).

Haben Parteien, die wesentliche Werte des Grundgesetzes ablehnen, eine solche Aufmerksamkeit verdient? Müssen Journalisten und Blogger alle Parteien gleich behandeln? Und was heißt das überhaupt?

Unser Grundgesetz enthält im Grundrechtskatalog den so genannten allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Er bindet alle staatliche Gewalt. Die Medien gehören nicht dazu – aber dazu später mehr.

Artikel 3 legt fest, dass der Staat natürliche Personen entsprechend dem Gesetz gleich zu behandeln hat. Das gilt vor allem – aber nicht nur – vor Gericht. Die Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Solange ein Bürger nicht gegen Recht und Gesetz verstößt, steht es ihm aber frei, danach zu handeln. Ich begreife die Grundrechte neben ihrer Funktion als Abwehrrecht auch als wichtige Wertebasis unserer freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung.

Zurück zum Staat: Der Staat muss gleiche Sachverhalte von Rechts wegen gleich behandeln. Allerdings muss nicht alles gleich behandelt werden. Eine Ungleichbehandlung ist dem Staat dann erlaubt, wenn es sachlich einleuchtende Gründe dafür gibt. Wenn der Staat natürliche oder juristische Personen unterschiedlich behandelt, muss das sachlich nachvollziehbar und begründbar sein.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den allgemeinen Gleichheitssatz so definiert, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist (BVerfGE 116, 164 <180>; 122, 210 <230>). Ich finde das sehr einleuchtend, nicht nur mit Blick auf staatliches Handeln, sondern auch als Messschnur für werteorientiertes Handeln. Noch einmal: Die Grundrechte sind Abwehrrechte der Bürger gegenüber dem Staat. Aber: Sie bilden auch eine Wertebasis unserer Demokratie.

Mit Blick auf die politischen Parteien ist natürlich besondere Vorsicht geboten. Denn in unserer repräsentativen Demokratie sind Parteien wichtige Bindeglieder zwischen Wählerinnen und Wählern einerseits sowie dem Parlament und der Regierung andererseits. Sie bündeln Interessen und wirken an der politischen Willensbildung mitwirken. Diese Rolle weist auch das Grundgesetz (GG) den Parteien zu.

Viele werfen an dieser Stelle ein, dass Parteien so lange als demokratisch angesehen werden müssten, solange sie nicht verboten sind. Diese Argumentation berücksichtigt allerdings nicht, dass ein Parteiverbot in Deutschland höchst kompliziert, langwierig und mit hohen Hürden verbunden ist.

Warum hat man aber die Messlatte so hoch gelegt? Ohne Parteien ist das politische System der Bundesrepublik nicht vorstellbar. Sie übernehmen wesentliche Funktionen und tragen zum Funktionieren des Staates bei. Deswegen, und aufgrund der Erfahrungen während des Dritten Reiches, soll die Tätigkeit von Parteien in Deutschland möglichst wenig durch den Staat beeinflusst werden.

In Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG steht, dass Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig sind. Allerdings genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht.

Hinzukommen muss eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt. Antragsberechtigt für ein Parteiverbotsverfahren sind nur Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.

Eine Demokratie muss sich schützen dürfen, muss wehrhaft sein, auch gegenüber verfassungsfeindlichen Parteien. Genauso, wie sich eine wehrhafte Demokratie gegen bewaffnete oder andersartige Angriffe von außen schützen bzw. verteidigen dürfen und können muss.

Aufgrund der Erfahrungen des Dritten Reiches, in dem die Regierung freie Parteien verboten hatte, hat das Grundgesetz das Parteiverbotsverfahren nicht der Bundesregierung, sondern dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen. Damit soll gewährleistet werden, dass nur ein unabhängiges Gericht alleine nach verfassungsrechtlichen – und nicht politischen – Maßstäben entscheidet. Das Verfahren wird in Art. 21 Abs. 2 GG und §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt.

Damit das Bundesverfassungsgericht eine Partei verbieten kann, muss nachgewiesen sein, dass die Partei gegen unsere Verfassung verstößt. Außerdem muss es auch wahrscheinlich sein, dass die Partei mit ihren Aktionen Erfolg hat und die Demokratie tatsächlich bedroht ist.

Bisher wurden in der Bundesrepublik Deutschland zwei Parteien verboten: 1952 die Sozialistische Reichspartei (SRP), eine Nachfolgeorganisation der NSDAP. Im Jahre 1956 dann die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Ein Verbot der rechtsgerichteten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) wurde 2017 vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt.

Die Richter stellten in dem Urteil fest, dass die NPD verfassungsfeindlich ist, weil sie ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept verfolgt. Die Partei wolle die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachte die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – Rn. (1-1010),).

Allerdings, so die Richter weiter, fehle es an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es zu diesem Zeitpunkt möglich erscheinen ließen, dass dieses Handeln auch zum Erfolg führen könne. Deshalb hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den zulässigen Antrag des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der NPD und ihrer Unterorganisationen als unbegründet zurückgewiesen.

Die Urteilsbegründung macht deutlich, warum das Verbotsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik so wenig angewendet wurde. In der politischen Praxis hat es sich als sinnvoller erwiesen, verfassungsfeindliche Parteien politisch zu stellen, innerhalb und außerhalb der Parlamente in Bund, Ländern und Kommunen.

Wie sollten verantwortungsbewusste Journalisten und Blogger mit verfassungsfeindlichen Parteien umgehen?

Wenn Parteivorsitzende, Funktionäre und Sympathisanten rassistische und antisemitische Ansichten äußern oder den Holocaust leugnen oder herunterspielen, verlassen sie die demokratische Wertebasis. Wenn Landesvorsitzende einer Partei das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnen, ist das nicht akzeptabel. Wenn Landtagsabgeordnete als Autoschild ein Kennzeichen „AH 1818“ wählen, ist das nicht nur eine Provokation. AH sind die Initialen Adolf Hitlers und die Zahlen 1 und 8 gelten in neonazistischen Kreisen als Chiffre für „Adolf Hitler“ (die Zahlen stehen für die Position der Buchstaben A und H im Alphabet). Politisch sollte man hier sehr klar Stellung beziehen und hierüber in Medien berichten. Haben solche Parteien darüber hinaus Aufmerksamkeit aber verdient?

Ich meine nein! Oft ist es besser, Dinge zu ignorieren, ihnen nicht unnötiges Gewicht zu geben. Wenn eine demokratische Partei einen neuen Fraktionsvorsitzenden wählt, einen Parteitag abhält oder neue Positionen entwickelt, dann ist das immer eine Nachricht wert. Wenn das eine undemokratische Partei tut, ist das meines Erachtens nicht so. Verantwortlicher Journalismus und verantwortungsbewusstes Verhalten in den sozialen Medien bedeutet für mich auch, ein Thema bewusst nicht aufzugreifen.

Hier komme ich wieder auf die Wertebasis des Grundgesetzes zurück. Und auf den allgemeinen Gleichheitssatz: Der Staats darf wesentlich Ungleiches darf nicht ohne sachlich einleuchtenden Grund gleich behandeln. Für mich ist das auch eine gute Orientierung für mein Verhalten als verantwortungsbewusster Bürger. Und es kann auch eine gute Leitlinie für viele Journalisten sein.

Ignorieren kann gerade für die Medien ein scharfes Instrument sein. Es signalisiert: Ihr habt keine Aufmerksamkeit verdient!

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